Dienstag, 10. November 2015

Ingolstädter Mahnwache zur Reichskristallnacht: Über die fehlenden Teilnehmer

OB Lösel kam nicht und auch den Stadträten und Honoratioren war die Reichspogromnacht egal. Auch Audi, ein Konzern der ganz gut von Zwangsarbeit im 2. Weltkrieg Profit machen konnte und sich gar "Arbeitsjuden" aus KZs an die Werkbänke liefern ließ, spendete keinen Kranz. Dennoch trugen am 9.11. Ingolstädter Antifaschisten das Gedenken an die Vebrechen, die in Ingolstadt am 9.11.1938 geschehen waren, weiter.

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Was man vom Zustand Deutschlands zu halten hat, das zeigt der offizielle Umgang mit dem 9.11. Statt an diesem Tag der sog. Reichskristallnacht und der Opfer des Nazifaschismus zu Gedenken, versammelten sich auch heuer wieder hochrangige Politiker vor den Resten der Berliner Mauer, um sich von den Konzernmedien artig in Szene setzen zu lassen. Die Eroberung der DDR scheint wichtiger als 6 Millionen tote Juden.
So kann es auch nicht verwundern, dass die bayerische Justiz, seit eh und je dafür bekannt, auf dem rechten Auge blind zu sein, auf die grandiose Idee kam, PEGIDA zu erlauben, vor der Feldherrnhalle aufzumarschieren. Man ist eben traditionsbewusst in Bayern und überlässt den neuen Rechten die Plätze der alten.
Doch auch an diesem Tag gibt es das andere Bayern, das es gewöhnlicherweise nicht in die Schlagzeilen schafft: In allen größeren Städten des Freistaats fanden, meist unter der Leitung linker oder antifaschistischer Gruppierungen Gedenkveranstaltungen für die Opfer der Pogrome statt. So auch in Ingolstadt, wo Kameradin(1) Johanna von VVN-BdA, wie jedes Jahr, die bewegende Gedenkfeier zusammen mit Genossinnen und Genossen von LARA organisierte. Insbesondere ihre ergreifende, szenische Lesung der Flüchtlingsgespräche von Bert Brecht, zusammen mit Kamerad St., verdienen eine lobende Erwähnung.
Vielleicht 50 Menschen waren gekommen, die ein Zeichen setzen wollten: Gegen den alten wie den neuen Faschismus. Denn, dies ist die bedrückende Realität, die auf der Veranstaltung klar angesprochen wurde: Der braune Mob wütet wieder in Deutschland und in Bayern. Asylbewerberheime brennen, etwa in Reichertshofen, Reaktionäre und Rassisten erhalten Zulauf und die BRD schafft defacto das Grundrecht auf Asyl ab. Der Freistaat Bayern hat wieder Sonderlager eingerichtet, für Geflüchtete aus dem Balkan. Eines davon in Ingolstadt, keine 4 Kilometer entfernt von einem der Abschiebelager (Fort Prinz Karl), das die Regierung Kahr 1920 für "Ostjuden" einrichten ließ.
Die Regierung Kahr räumte damals den Weg für die Hitlerfaschisten frei und die damaligen Aufseher im Abschiebelager "Fort Prinz Karl" fanden ab 1933 Anstellung im KZ Dachau.
Umso wichtiger ist es, durch derartige Gedenkveranstaltungen zu versuchen, die fatale bayerische Kontinuität, die sich von dem Putschisten und Reaktionär Kahr, über Strauß bis hin zu Seehofer zieht, zu durchbrechen. Dabei sollten wir uns aber, gerade angesichts der gegenwärtigen Situation, der eigenen Fehler, die die Linke im letzten Jahrhundert begangen hat, erinnern: Denn dem 9.11.1938 ging der 9.11.1918 voraus, als in Bayern die Revolution losbrach und USPD gemeinsam mit Anarchisten und der entstehenden KPD den König vertrieben. Diese Revolution scheiterte. Sie scheiterte einerseits an der Uneinigkeit der radikalen Linken untereinander, andererseits aber an dem Verrat der SPD und der Übermacht der bürgerlichen. Jene, die damals in den "Freikorps" waren, mit dem Ziel, die Kommunisten zu erschießen,wurden später die Mordbrenner der SA und SS. 
Dieselben bürgerlichen Kräfte, die einst Kahr an die Macht hievten, später Hitler unterstützten und nach dem Krieg eben die CDU-CSU, FDP und SPD. Im Dunst der Bierzelte wie im Scheinwerferlicht des Bundestags fordern ihre Abgeordneten die Lagerinternierung für Geflüchtete oder, hin und wieder auch mal, den Schießbefehl an der Grenze. Sie sind es, die das Frontex-Regime und DublinII verantworten. Von der Verfolgung von Linken und mindestens der Tolerierung neofaschistischen terrors ganz zu schweigen.
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Logo der originalen Antifa, gegründet 1931, mit Genosse Thälmann als Vorsitzenden. Damals war klarer als heute: "Wer die Bourgeoisie nicht stürzen will, braucht eines Tages den Faschismus, um sie zu stützen." (Brecht)
Daher macht es Sinn, dass ein OB Lösel nicht zu einer Gedenkveranstaltung für die Opfer der NS-Diktatur kommt. Und dass auch der AUDI-Vorstand ebenso wie die ganzen verfluchten Honoratioren der Stadt auf diesen Tag scheißen. Sie gehören der Klasse an, die im zwanzigsten Jahrhundert die abscheulichsten Verbrechen beging und die im 21. Jahrhundert nicht damit aufhören wird, es sei denn, wir stoppen sie.
Daher sollte uns, als revolutionäre Linke, dieser Gedenktag motivieren, mit aller Macht für eine Alternative zu diesem politischen System zu kämpfen, für eine Welt ohne Rassismus, Antisemitismus und Krieg. Anstelle mit den bürgerlichen Kräften zu kooperieren, wie das manche "Linke" meinen machen zu müssen, lasst uns sie bekämpfen! Das sind wir den Opfern des 9.11.1938 und allen Opfern der kapitalistischen Barbarei schuldig.

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(1) Im VVN-BdA redet man sich mit "Kamerad" an.

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