Sonntag, 6. März 2016

Die Globalisierung der Anderen: Einige Gedanken zu, Migration, Flucht und Globalisierung

Globalisierung.
Immer noch verbinden ein paar Zeitungsredakteure, Politiker und diverse Philosophen mit diesem Wort irgendetwas Magisches. Man spricht von Risiken und Chancen, und zeichnet Bilder, als würde die Welt ein Dorf werden, in dem Grenzen und Entfernungen bedeutungslos geworden sind. Ein Jetset-Leben für alle!
Und tatsächlich, für sehr viele Europäer aus der Mittelschicht bedeutet Globalisierung genau das. Ich habe Freunde, die eben mal ein Praktikum in Shanghai machen, andere studieren in Paris oder jobben irgendwo in Südafrika. Reisen über die Kontinente, arbeiten im Ausland und studieren in der Fremde ist für diejenigen von uns, die das Glück haben, eine einigermaßen reiche Familie zu besitzen, recht normal geworden. Die Welt scheint keine Grenzen mehr zu kennen.
Vorausgesetzt, man kommt aus dem richtigen Teil der Welt und hat die richtige Hautfarbe. Denn für Menschen in der 3. Welt bedeutet Globalisierung zwar, dass ihnen Spekulanten aus Europa und den USA ihr Land wegnehmen können, frei bewegen können sie sich deswegen nicht. Ein Beispiel dafür ist die Geschichte unseres Genossen XY. Dieser kommt aus einem Land in Asien und hatte den schlichten Wunsch, in Norwegen zu studieren. Doch Norwegen gab ihm, dem Sohn eines einfachen Bauern, schlicht kein Visum.
Während es normal ist, dass wir als Europäer, Visa für alle Staaten der Welt bekommen, dort studieren dürfen oder arbeiten, wird dieses Recht den Unterdrückten und Ausgebeuteten, den Völkern, die immer noch im Neokolonialismus festgehalten werden, verwehrt. Wer reich und weiß ist, für den sind die Grenzen dahin, wer aus den mittleren und armen Schichten der dritten Welt kommt, bleibt dagegen ausgeschlossen.
Internationalismus, 1897.

Aber unser Genosse XY, beschloss, dies nicht auf sich sitzen zu lassen. Er machte sich zu Fuß auf den Weg, jahrelang durch ganz Eurasien, um nach Norwegen zu kommen. In Europa geriet er dabei immer wieder in die Fänge der Polizei, bis er nach Bayern kam, wo er vorerst festsitzt.
Genosse XY ist damit nicht alleine: Abermillionen Menschen organisieren derzeit unbewusst eine Globalisierung von unten. Sie geben sich nicht mit ihrem Los zufrieden, sondern bewegen sich in die reichen, imperialistischen Länder, mit der Forderung nach einem selbstbestimmten, erfüllten Leben auf den Lippen. Diese Bewegung realisiert dabei, was Karl Marx und Friedrich Engels bereits im Manifest der Kommunistischen Partei feststellten:

„Die Bourgeoisie hat durch ihre Exploitation des Weltmarkts die Produktion und Konsumption aller Länder kosmopolitisch gestaltet. Sie hat zum großen Bedauern der Reaktionäre den nationalen Boden der Industrie unter den Füßen weggezogen. Die uralten nationalen Industrien sind vernichtet worden und werden noch täglich vernichtet. […] An die Stelle der alten, durch Landeserzeugnisse befriedigten Bedürfnisse treten neue, welche die Produkte der entferntesten Länder und Klimate zu ihrer Befriedigung erheischen. An die Stelle der alten lokalen und nationalen Selbstgenügsamkeit und Abgeschlossenheit tritt ein allseitiger Verkehr, eine allseitige Abhängigkeit der Nationen voneinander. […]“

Der Kapitalismus ist international: Weltweit interagieren Unternehmen, Menschen. Rohstoffe überqueren Kontinente, Konzerne, wie etwa VW, unterhalten Produktionsstätten in aller Welt, und folgerichtig wächst die Welt wirklich zusammen, wird, in den Worten von Marx und Engels „kosmopolitisch“. Allein: Nur die Bourgeoisie, die Besitzer der Produktionsmittel, wollen von dieser Internationalisierung profitieren, ihr Jetsetleben ausleben. Die Unterdrückten, besonders die Völker des globalen Südens, will man davon ausschließen.
Doch dies funktioniert nicht mehr. Die kapitalistische Entwicklung hat durch die immer bessere gegenseitige Information, durch das immer stärkere Aneinanderwachsen der Märkte (und die reale Subsumption so gut wie aller Länder unters Kapital), die Grundbedingungen geschaffen, dass die Unterdrückten nun ihrerseits die Frage des Internationalismus auf die Tagesordnung setzen. Ganz praktisch stellen sie, durch ihre Migration, Grenzen und das Konzept der Nation in Frage und, nicht zuletzt, das Problem der ungleichen Verteilung des Reichtums dieser unserer Erde.
In diesem Sinne ist es falsch von „Flüchtlingskrise“ zu sprechen. Diese Krise ist eine Krise des Kapitals, dessen Grundsteine selbst ins Wanken geraten. Ohne an dem simplen Open Border Geschrei teilzuhaben, dass doch nur Lösungen im Kapitalismus sucht, sollten wir deshalb diese Bewegung als eine Möglichkeit sehen, hier vor Ort, diese Fragen einer Globalisierung von unten, die Frage nach Internationalismus und Sozialismus ganz praktisch zu stellen.

[Basalt]

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