Mittwoch, 14. Oktober 2015

Armes Ingolstadt (I): Gedanken zur Tafel

Ingolstadt: Reich, keine Arbeitslosen, alles super. Das zumindest ist das Bild, das unsere Stadtoberen, das OB Lösel und Co gerne von der Schanz zeichnen. Gerade wir Jugendlichen wissen, dass das nicht stimmt. Unbezahlbare Mieten, überteuerte Buspreise, Verfall  in der Innenstadt ist die Realität, die wir tagtäglich erleben. Deswegen wollen wir, in der losen Reihe "Armes Ingolstadt", Eindrücke sammeln, die zeigen, wie diese Stadt für die ärmere Hälfte der Bevölkerung wirklich ist.



Wir beginnen mit einem rein subjektiven Erlebnisbericht:

Gedanken zur Tafel


Ein übler, regnerischer Herbstmorgen. Gedankenverloren bin ich in der beängstigend leeren Innenstadt unterwegs, als ich urplötzlich in der Proviantstraße auf einen großen Menschenauflauf treffe. Rentner, alte Omas, junge Mütter mit Babys auf dem Arm, gut gekleidete Herren und auch ein paar abgerissene Existenzen. Insgesamt mögen es wohl 300 Leute gewesen sein. Eine recht ungleiche Masse aus Menschen, die nur eint, dass alle Taschen, Plastiktüten oder Jutebeutel dabei haben.
Offenbar stehen sie Schlange um in ein Gebäude zu kommen, aus dem dann und wann jemand mit einer vollen Plastiktüte wieder herauskommt.
Ich brauche einen Moment um zu begreifen, was ich hier grade sehe.
Diese Menschenmasse steht Schlange vor der Ingolstädter Tafel. All die vielen Menschen, junge wie alte, stehen an, um Essen zu erhalten. 
Und mir kommt die offensichtliche Frage in den Sinn:
Wie kann es sein, dass im reichen Deutschland und im noch reicheren Ingolstadt so viele Menschen Schlange stehen müssen, für ein bisschen Essen, das gnädigerweise von Bessergestellten gespendet wird?
Sicher, objektiv sind mir die Gründe dafür klar: Da ist Hartz IV, das Millionen ins Elend gestürzt hat, da sind 450-Euro-Jobs, da sind Werksverträge, da sind die ungeheuer hohen Ingolstädter Lebenshaltungskosten, die Rente, Stütze oder Lohn auffressen. Kurz und schlecht: Da sind die kapitalistischen Verhältnisse, die Wohlstand nur für wenige und Elend für die allermeisten bedeuten.
Und so sind auch in Ingolstadt, einer Stadt in der es unter anderen, nämlich sozialistischen Bedingungen jedem gut gehen könnte, an diesem Morgen 300 oder mehr gezwungen, sich Brotkrumen vom Tisch der Reichen zu erbetteln. Der Staat lässt sie im Stich  und die Stadt, in ihren Selbstdarstellungen mit ihren provinziellen Reklamebildchen von Kongresshotel, Audi und Bürgermeistern, die sich als Stadtmanager im feisnten Zwirn präsentieren, verschweigt sie. Ja, sie selbst schweigen, während sie so stumm da anstehen und warten.
Ihr Schweigen zu brechen und sie wieder brüllen zu lassen, das ist unsere Aufgabe.
Und dann wird es vielleicht möglich sein, ein Ingolstadt aufzubauen, das nicht den Reichen, den zugereißten Audi-Managern gehört, sondern sozial und solidarisch ist.


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