Sonntag, 11. Oktober 2015

Hunderttausende gegen TTIP



Am 10.10.2015 fand in Berlin eine Massendemonstration gegen die Freihandelsabkommen TTIP, CETA und TISA statt. Für die kämpfende Jugend war eine Delegation aus Ingolstadt dabei. Das ist unser Bericht:

Ein Strom aus Leibern: Eindrücke aus dem Widerstand
Hunderttausende Menschen bewegen sich über den Washingtonplatz vorm Hauptbahnhof Berlins. Eine einzige Masse aus Menschen, ein Strom von Leibern. Von der Bühne tönen Reden und Musik von allen Ecken aus der Demo. Rote Fahnen wehen in dichten Trauben irgendwo am anderen Ende des Platzes, hier und da sieht man grüne Banner von Umweltschutzaktivisten. Ein jugendlicher Hippie mit Rastalocken läuft barfuß neben mir, reicht einen Joint herum und spricht über seine Beweggründe heute hier in Berlin zu sein. Vor ihm marschiert ein alter Gewerkschafter mit DGB-Mütze und schreit genauso enthusiastisch „Stopp TTIP“ wie seine Nebenfrau, eine kaum 20jährige Kommunistin mit Hammer und Sichel auf der Roten Fahne der sehr coolen Organisation Jugend Widerstand.

Hunderttausende sagen nein zu TTIP!
Eindrücke von der Demonstration gegen TTIP in Berlin am vergangenen Samstag, die sicher die größte Demo war, an der ich bisher teilgenommen habe. Aus der gesamten BRD und annektierter DDR waren Leute gekommen: Alte und Junge, Arbeiter, Bauern, Ärzte, Gewerkschafter, Kommunisten, Sozialisten, Anarchisten. Manche hatten selbstgebastelte Schilder dabei, andere zeigten die Embleme ihrer Organisation und alle setzen sie ein machtvolles Zeichen: Wir wollen kein TTIP, wir wollen uns unsere demokratischen Rechte nicht nehmen lassen.
Wie viele andere auch nutzten wir dabei den Service des DGB (dem explizit dafür zu danken ist!) und fuhren in kostenlosen Bussen in aller Herrgottsfrüh nach Berlin um unserem Anliegen Ausdruck zu verleihen. Schon im Bus überraschte mich die Vielfalt der TTIP-Gegner: Einfache Arbeiter, Großbauern, Ingenieure und sogar Familien mit Kindern, sie alle taten sich die Gewalttour an, waren 24 Stunden auf den Beinen, um Widerstand gegen das „Freihandelsabkommen“ zu zeigen. Und keiner bereute es, waren wir doch schon beim Aussteigen von der schieren Masse an Menschen überwältigt und begeistert. Dass so viele Leute unterwegs waren, dass zeitweise sogar der Hauptbahnhof gesperrt war und die Polizei sich schlicht und ergreifend vom Acker machte (ich sah kaum 20 verängstigte Polizisten auf der Demo) spricht für sich. Ein klares Zeichen des Volks gegen TTIP.

Der Protest gegen TTIP ist internationalistisch
Dass dabei der Protest internationalistisch und nicht dumpf anti-amerikanisch war, ist bei dieser Situation umso erfreulicher. So sprachen etwa Gewerkschaftsvertreter aus Kanada, Kamerun und den USA auf der Hauptbühne und auf der Schlusskundgebung an der Siegessäule und machten klar, dass Millionen us-amerikanischer und kanadischer Arbeiter auf Seiten der Demonstranten stehen. „TTIP nimmt uns genauso wie euch die demokratischen Rechte!“ meinte ein us-amerikanischer Kollege, dessen Rede die beste an diesem Tag gewesen sein dürfte. Unter dem Jubel der Menge (und teilweise ohne Übersetzung) forderte er den internationalen Widerstand gegen die Monopolkonzerne und den Kapitalismus und berichtete von den Massendemonstrationen auf dem amerikanischen Kontinent. Ein schönes Zeichen, zeigt es doch, dass wir TTIP durchaus dagegen nutzen können, unseren Widerstand international aufzustellen und uns mit anderen Widerstandsbewegungen auf dem Globus besser zu verbinden.
True Story
 Die Reden der deutschen Organisationen fielen dem gegenüber ab. Eine Gesine Schwan (mir ist unklar, warum man die hat reden lassen) forderte unter Buh-Rufen, TTIP ergebnisoffen weiter zu verhandeln, attac machte sich für mehr Welthandel stark, Gewerkschaften spielten Bedenkenträger. Da ist es schon bezeichnend, dass sich auch Gewerkschafter vielmehr für die Reden der Genossen diverser radikaler Verbände begeisterten, die während der Demo über Megaphone zum Generalstreik aufriefen, für den Fall, dass TTIP durchkommen sollte.
Neben den (meisten) deutsch-sprachigen Reden war für mich dabei ein Wermutstropfen, dass leider auch einige Spinner auf der Demo mit dabei waren. Nun lässt sich dies bei 250.000 Menschen oder mehr wohl kaum vermeiden, dass bspw. Banner, die Freigeld forderten oder Leute mit Paranoia vor Freimaurern (ich durfte miterleben, wie ein Kollege von einem älteren Herrn mit dem Krückstock geschlagen wurde, weil er jenen für einen Illuminaten hielt) aufkreuzen. Positiv kann allerdings vermerkt werden, dass diese Wahnwichtel nicht nur von der Bühne von einem Kabarettisten, dessen Name mir leider entfallen ist, verarscht sondern auch aus der Demo recht schnell „verdrängt“ wurden. Die Anzahl der vernünftigen Menschen, der Refugees-Welcome Sticker und der roten Fahnen überwog deutlich.

Was bleibt
Natürlich, auch wenn wir zufrieden, ja enthusiastisch die Heimreise antraten. Allen war klar: Ändern wird auch dieser Protest erst einmal nichts. Vor 30 Jahren waren mehr Menschen auf den Beinen, als es darum ging, die Pershing-2 Raketen zu verhindern. Und scheiterten dennoch. Auch jetzt steht zu befürchten, dass die Regierung ein, zwei Scheinzugeständnisse machen wird, um den Widerstandswillen zu brechen und TTIP so dennoch durch zu bekommen. Daher wird es die Aufgaben von Kommunisten und Sozialisten nun sein, den Schwung der Bewegung auszunutzen, über TTIP aufzuklären und den Widerstand lokal weiter zu tragen.
Presseclowns? Die Mitdemonstranten waren tw. sehr kreativ
 Denn die Propaganda-Maschine läuft schon: Gabriel ließ eine ganzseitige Anzeige in diversen Tageszeitungen drucken, um mit Lügen die Wählerschaft von TTIP zu überzeugen. Und die Journaille hetzt wie gewohnt, nennt den Protest hysterisch oder gar nationalistisch. Die Redakteure, in ihren mittelmäßigen, neoliberalen Denkschemata verfangen oder einfach ihren Arbeitgebern verpflichtet, ignorieren den Protest oder schreiben ihn klein (die ARD berichtete erst nur von 10.000 Demonstranten, korrigierte irgendwann diese Zahl). In der bürgerlichen Presse finden sich so in jedem Bericht über TTIP lange und ausführliche Stellungnahmen der Befürworter des Abkommens, während der Demonstration wenig Raum gegeben wird.
Es wird also nötig, gegen den Widerstand der Medien und der Politik den Widerstand von unten zu organisieren!
Gehen wir es an!

[Basalt]


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