Dienstag, 5. Januar 2016

Zwischen den Welten - zwischen Hackerspace, (Netz)politik und unbändigen Hedonismus

Genosse R. war auf dem "Chaos Communication Congress" (CCC) in Hamburg. Das ist sein Bericht:

Wie Portale zu einer neuen Welt waren sie für mich, die Tore des Congress Centrum Hamburg. Schon von weitem sah man die schillernde Beleuchtung, die Ohren wurden mit ohrenbetäubenden Bässen eingestimmt. Man lief so durch das winterliche, kalte und dreckige Hamburg, auf das CCH zu und hatte keine Ahnung was einen hinter dieser blinkenden Fassade erwarten würde.
Hatte man dann die Eingangstür passiert, so musste man bei der Einlasskontrolle noch kurz sein Bändchen (ähnlich den bekannten Festivalbändchen) vorzeigen und war plötzlich mittendrin; mitten auf dem größten Hackerkongress in Deutschland. Auch drinnen blinkte es überall. An unzähligen Tischen saßen Hacker, Programmierer und Hacktivisten und unterhielten sich über ihre Programme, ihre Netzwerke oder das weltpolitische Geschehen. Jeder der immer dachte, dass Hacker langweilige Nerds sind, die mit Maschinen besser klarkommen als mit Menschen, die nicht aus ihren Zimmern rauskommen und keine Ahnung von anderen Dingen haben, der wird hier eines besseren belehrt. Natürlich haben technische Fragestellungen hier viel Raum und werden auch ausführlich besprochen, jedoch haben politische Fragen hier einen genauso großen Raum. So gab es beispielsweise eine Couch für Grundrechte, initiiert von digitalcourage.de, einen großen Stand des Bündnisses „Freiheit statt Angst“ sowie viele Gruppen aus dem Bereich der Antifa. Diese waren jedoch nicht nur einfach vertreten, sie haben auch diverse Workshops zu Themen wie Konsensdemokratie oder Versammlungsfreiheit angeboten.

Auch die vielen Vorträge drehten sich nicht ausschließlich um Verschlüsselungssysteme oder Internetsicherheit. Neben Talks zu Themen aus der Physik oder der Raumfahrttechnik gab es einen Vortrag zum NSA-Untersuchungsausschuss, zur Strafanzeige wegen Landesverrat gegen netzpolitik.org oder zum VW-Abgasskandal. Auch das nächtliche Kulturprogramm befasste sich mit politischen Themen. Bei den Asyldialogen, ein Theaterstück der Bühne für Menschenrechte, wurden Einzelschicksale von Flüchtlingen aufgegriffen und ergreifend in Szene gesetzt. Großen Applaus erntete auch eine szenische Lesung aus den Originalprotokollen des NSA Untersuchungsausschusses, welche die Probleme und Absurditäten dieses Projekts eindrucksvoll darstellte.
Dazu passend war die Haltung der über 12.000 Teilnehmer. Einer der Referenten sagte am Anfang seines Vortrages, dass er dieses Event vor allem wegen der Community so geil findet und brachte dies mit der passenden Frage auf den Punkt: „ Was muss man eigentlich machen, um hier ausgegrenzt zu werden?“ Außer Nazi zu sein gibt es da tatsächlich nur sehr wenig. Jeder war für ein Gespräch mit dir offen, ganz egal wie du aussahst oder welche Meinung du vertreten hast. Besonders deutlich hat man das in der Lounge gemerkt. In dieser zu einer Partyarea umgebauten Halle (an dieser Stelle ein riesen Lob an die Organisatoren und vielen ehrenamtlichen Helfer, die all das realisiert haben, dir immer geholfen haben und generell eine großartige Arbeit geleistet haben), lief pausenlos Musik, man konnte sich entspannen und einfach nur miteinander feiern. Zwischen penetranten Weedgeruch und strömenden Alkohol sind neue Bekanntschaften entstanden, hitzige Debatten entbrannt und ist viel getanzt worden.
All diese Eindrücke kann man jedoch eigentlich nur verstehen, wenn man sie selbst erlebt hat. Darum empfehle ich jedem aus dem linksradikalen bis linksdemokratischen Spektrum nächstes Jahr zwischen den Feiertagen nach Hamburg zu fahren und diesem Spektakel beizuwohnen. Man sollte sich jedoch rechtzeitig entscheiden, dieses Jahr waren die Karten irgendwann ausverkauft …

Genosse R

Hier noch der Jahresrückblick des Chaos Computer Clubs 2015:


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